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Der Huayna Potosi, der Hausberg von La Paz, gilt mit seinen 6.088 m Höhe als einer der leichtesten Sechstausender der Welt. Wir waren ja letztens auf dem Acotangu, unserem ersten Sechstausender und können uns kaum vorstellen, dass der Huayna Potosi noch einfacher ist. Aber vielleicht bezieht es sich auch darauf, dass er einer der leichtesten vergletscherten Sechstausender ist.
Auf jeden Fall wird der Berg hier von sehr vielen Agenturen auch für absolute Anfänger angeboten und scheint keine technisch anspruchsvollen Passagen zu haben. Nur einige sehr große Gletscherspalten, einen nicht all zu langen Steilaufschwung im Eis und am Ende einen angeblich recht steilen Gipfelgrat. Delphine und ich überlegen, ob wir ihn selbständig, oder doch lieber in Begleitung eines Führers angehen sollen. Aber im steilen Gletschergelände waren wir beide länger nicht mehr und wenn ich falle hat Delphine in einer Zweierseilschaft keine Chance mich – und damit auch sich selbst – zu halten. Da der Aufstieg auch mit Führer hier eher im Bereich von 120 Euro pro Person für die zwei Tage kostet ist die Entscheidung schließlich dann doch schnell gefallen, es lieber mit Guide zu machen.
Außerdem wollen noch einige andere vom Campingplatz mitkommen. Sharmayne und Jonas und Martin waren ja unter anderem zur Akklimatisierung auf dem Pico Austria dabei und auch Adam, der witzige Australier, der in seinem orangen Kombi umherreist und inzwischen auch wieder gesund ist würde den Aufstieg gerne versuchen. So haben wir also insgesamt drei Zweierteams zusammen. Martin wird mit Adam eine Seilschaft bilden und Adam ist super optimistisch, dass er mit Martin in ein paar Tagen am Gipfel steht.
Vorbereitungen
Wir sind schon seit ein paar Tagen mit Santos, dem Bergführer den wir auf dem Condoriri Treck getroffen haben, in Kontakt. Er will noch zwei weitere Bergführer organisieren und damit die ganze Gruppe auf den Gipfel bringen. Und der kommt sogar extra den langen Weg von El Atlo zu uns auf den Campingplatz um die Details mit uns zu besprechen.
Delphine und ich haben unsere eigene Ausrüstung für Hochtouren dabei und haben auch schon genug Erfahrung um und den Einführungstag zu sparen. So werden die anderen vier einen Tag vor uns zum Berg aufbrechen um mit Santos die Grundlagen des Gehens und Kletterns mit Steigeisen zu üben und wir beide kommen dann am nächsten Tag dazu.
Zur Hütte
Wir fahren also einen Tag später als die anderen mit einer von Santos organisierten Fahrerin in ihrem Kleinbus zum Refugio nuevo Llaunlini. Unterwegs machen wir noch einen Abstecher zum Haus von Santos in El Alto. Hier steigen noch ein paar Leute ein. Santos Sohn Limbet, ebenfalls Bergführer, der der Führer von Delphine und mir sein wird. Seine zwei Töchter, die als Trägerinnen das Gepäck von Sharmayne, Jonas, Adam und Martin zum Hochlager, also der Hütte am Gletscher tragen werden. In ihren kleinen Rucksäcken haben sie gar keine Chance all das Material, die großen Schuhe und die Schlafsäche hoch zu tragen und die zwei Mädels sind froh über einen Zusatzverdienst. Und dann steigt noch Luis mit ein, der Freund von Santos älterer Tochter, der der Führer von Sharmayne und Jonas sein wird. Santos wird Adam und Martin führen.
Als wir bei der unteren Hütte ankommen sitzen die anderen schon gemütlich beim Tee. Sie haben gestern eine ausführliche Anleitung zum Gehen und Klettern auf dem Eis bekommen und heute Vormittag war einfach relaxen angesagt. Auf der Hütte gibt es für alle noch ein Mittagessen und dann geht’s hoch.
Der Aufstieg zu der oberen Hütte ist relativ einfach und auch nicht sehr lang. Die Führer achten aber trotzdem darauf, dass langsam gegangen wird und regelmäßig Pausen gemacht werden. Delphine und mir ist das Tempo zeitweise deutlich zu langsam und die Pausen zu viele, aber wir nutzen die Möglichkeit viele Bilder zu machen und mit allen ein bisschen zu quatschen. Schließlich ist heute wirklich viel Zeit für den Aufstieg.
Oben angekommen werden erstmal die Lager in der Hütte bezogen, die auf Grund ihrer Bauweise aus Plexiglas in der Nachmittagssonne heiß wie eine Sauna ist und dann schauen wir uns erstmal draußen vor der Hütte um. Direkt unterhalb der Hütte ist der Zustieg zum Gletscher, über den wir heute Nacht unseren Aufstieg beginnen werden. Und weit oben kann man den Gipfelaufbau des Huayna Potosi erkennen. Als zusätzliches Highlight gibt es noch eine partielle Sonnenfinsternis, die wir dank einigen Wolken sogar mit bloßem Auge gut sehen können.
Dann gibt es noch eine Einweisung für den morgigen Aufstieg durch Limbert. Ursprünglich war geplant, dass Delphine und ich etwa eineinhalb Stunden nach den anderen starten werden. Wir haben deutlich mehr Erfahrung und sind auch besser trainiert als die anderen und so wäre es für uns auch sehr viel angenehmer unser eigenes Tempo zu gehen und die anderen dann weiter oben zu treffen. Aber Santos und Limbert haben ihre Pläne geändert und wollen mit der ganzen Gruppe gleichzeitig hochgehen. Das heißt, wir müssen unser Tempo deutlich drosseln und eben gemütlicher hochlaufen. Delphine ist sehr skeptisch was den Plan angeht, ich denke mir, ich kann so leichter ein paar Fotos mehr machen und muss mich eben einfach mal etwas bremsen. Das Ziel ist es, gegen halb sieben den Gipfel zu erreichen und dann spätestens um sieben den Gipfel wieder zu verlassen. In der Morgensonne taut das Eis hier auch in der großen Höhe sehr schnell und die Steine im felsigen Gipfelbereich lösen sich und fallen runter. Und die Schneebrücken über den vielen Gletscherspalten werden natürlich auch weich und unsicher.
Der Plan ist jetzt also folgender: Wir essen gegen halb fünf zu Abend, gehen danach ins Bett und schlafen bis 23:00 und dann heißt es aufstehen, alles bis auf die Steigeisen schon mal anziehen und frühstücken. Also vor allem viel Tee trinken. Dann soll es gegen halb eins losgehen. Nach dem Abendessen bin ich mit Martin noch ein bisschen draußen und dann versuchen wir alle etwas zu schlafen.
Huayna Potosi, Gipfeltag
Als mich Jonas um elf weckt habe ich tatsächlich ein paar Stunden geschlafen und es fühlt sich an wie für eine Skitour früh morgens aufzustehen.Zum Frühstück gibt es ein paar Stücke Kuchen aus dem Supermarkt und vor allem viel Tee. Dann geht’s raus um die Steigeisen anzuziehen und loszulaufen.
Aber wir sind natürlich nicht die einzigen die den Berg heute besteigen wollen. Außer uns ist noch eine Gruppe aus Israel hier und eine größere Frauengruppe aus Spanien. Eine von ihnen wohnt seit ein paar Jahren in Bolivien und sie hat ein paar Bergführer und vor allem auch eine der Cholitas Escaladeros engagiert. Bergführerinnen die in ihrer traditionellen Cholitakleidung auf den Berg steigen.
Auch von den anderen vier Hütten die hier in der näheren Umgebung sind steigen einige Seilschaften los. Als alle ihre Steigeisen anhaben geht es also auf den Gletscher und wir laufen in einem sehr langsamen Tempo los. Leider gibt es immer wieder Unterbrechungen durch kleine Staus und Adam geht es von Anfang an nicht besonders gut. Nach etwas zweihundert Höhenmetern ist für ihn leider schon Schluss. Seine Krakheit, die erst vor einer guten Woche endgültig überstanden hat und die nicht ausreichende Akklimatisierung fordern leider ihren Tribut. Schon gestern zum Hüttenaufstieg auf etwa 5.250 m Höhe hat er sich zeitweise ziemlich quälen müssen und jetzt geht es einfach nicht mehr weiter.
Santos geht mit Adam zurück und Martin wird zwischen Delphine und Limbert in unsere Seilschaft aufgenommen. Martin kann zwar nicht sehr schnell gehen, aber er kann sein langsames Tempro durchaus über mehrere Stunden durchziehen und so sind wir immer noch optimistisch mit ihm den Gipfel zu erreichen.
So geht es also nur noch mit zwei Seilschaften weiter über den nächtlichen Gletscher. Leider gibt es immer wieder Unterbrechungen und ständig kurze Pausen. Das ist für Delphine und mich ziemlich nervig und wir sind auch was unsere Kleidung angeht nicht darauf eingestellt ständig zu stehen. Da wird es bei unter minus zehn Grad dann doch irgendwann ganz schön kalt. Aber so ist da eben an so einem vollen Berg.
Schließlich geht es über den ersten Steilaufschwung, der mit ein paar Fixseilen dann doch ganz gut zu besteigen ist auf eine Schulter hoch. Hier haben wir etwa die Hälfte des Aufstieges hinter uns. Ich schaue immer wieder auf die Uhr und auf die bereits geschafften Höhenmeter. In dem Tempo wird es eher nichts mit dem Gipfel fürchte ich. Naja, dann halt so weit wie möglich rauf. Wir machen eine kurze Pause und Sharmayne meint, dass es ihr ziemlich schwindelig ist. Sie und Jonas überlegen etwas und entschließen sich schließlich zum Abstieg. So bleiben Delphine, Martin und ich die einzigen von unserer Truppe die schließlich mit Limbert in Richtung Gipfel weiterziehen.
Martin geht in seinem Tempo beeindruckend konstant weiter. Aber er hat doch immer mehr Probleme die teilweise recht großen Spalten zu überklettern und als wir kurz unterhalb von 6.000 Metern schließlich den felsigen Gipfelaufbau erreichen und die Steigeisen ablegen meint er, dass er es nicht mehr bis zum Gipfel schaffen wird. Sein Ziel ist es aber, wenigstens die 6.000 Meter einmal zu überschreiten. Inzwischen ist die Sonne aufgegangen und der Ausblick über den Gletscher in Richtung La Paz ist schon alleine super schön. Für Delphine und mich ist klar, dass wir den Gipfel so auch nicht mehr erreichen werden, aber es ist schön schließlich gemeinsam mit Martin sein Ziel, die Überschreitung von 6.000 Metern zu erreichen. Wir kommen gemeinsam sogar bis auf eine Höhe von 6.033 Metern.
Vor ein paar Wochen haben wir den Burschen als Motorradfahrer kennengelernt, der seit über zwanzig Jahren nicht mehr gewandert ist. Jetzt ist er mit uns über viel Gletscherspalten hier rauf gelaufen und für uns ist es auch in Ordnung dann hier wieder umzukehren. Martin meint, wir sollten ihn hier sitzen lassen und schnell rauf zum Gipfel und ihn dann wieder mitnehmen, aber das darf Limbert als Bergführer nicht und auch wir wollen ihn so total erschöpft nicht hierlassen. Doch Limbert will zumindest mit Delphine und mir auf den Gipfel. So hält er kurzentschlossen einen seiner Bergführerkollegen der bereits wieder im Abstieg ist auf und fragt ihn, ob er Martin mit nach unten nehmen kann. Der sagt zu und schneller als es Martin recht ist hängt er am Seil eines anderen Bergführers und steig mit diesem und einem anderen Kunden wieder ab. Ein paar Minuten Pause und etwas zu Essen wären für ihn dringend nötig gewesen, aber es muss so gehen. Der Abstieg wird für ihn nochmal richtig hart und teilweise grenzwertig, da der Führer die zwei etwas zu sehr bedrängt schnell abzusteigen, aber schließlich kommen sie gut wieder runter zur Hütte.
Wir steigen mit Limbert noch über ein paar Felsen und schließlich über den stark abgetauten Gipfelgrat nach oben. Aus dem zu beiden Seiten steil abfallenden Firngrat ist durch das lange Tauwetter ein recht einfach zu gehender Felsgrat geworden und so sind wir dann doch recht schnell am Gipfel. Kurz vor uns ist auch die spanische Frauentruppe hoch gekommen. Wir machen ein paar Fotos, genießen etwas die Aussicht und essen ein paar Nüsse, und dann packt Limbert noch das Banner seiner Agentur aus und wir machen noch ein paar Fotos auf der höchsten Eisspitze bevor wir uns wieder für den Abstieg vorbereiten.
Wir sind natürlich froh, dann doch noch auf den Gipfel gekommen zu sein. Und auch Limbert hat es scheinbar viel bedeutet, uns noch auf den Gipfel gebracht zu haben. Der Abstieg ist im Großen und Ganzen nicht allzu schwer und wir sind bald wieder auf dem Gletscher. Langsam spüre ich aber auch die Müdigkeit. Die letzte Nacht gab es vielleicht zwei oder drei Stunden Schlaf und die Nacht davor war auch nicht lang. Und ich habe shcon noch Respekt vor dem Abstieg über den Steilaufschwung. Aber letztlich ist auch der gar nicht so schlimm wie gedaht und danach müssen wir nur noch ein paar hundert Höhenmeter über den Gletscher runterlaufen. Und der ist bei Sonnenlicht natürlich nochmal sehr viel beeindruckender als in der Nacht im Licht der Stirnlampen. Die Spalten sind teilweise beeindruckend tief und auch die Gletscherbrüche sind beeindruckend groß.
Delphine bekommt leider beim Abstieg wieder Kopfweh und es ist ihr übel, so, dass wir beide froh sind, als wir schließlich wieder die Hütte erreichen. Der Rest unserer Truppe ist schon weiter runter gestiegen und wir sollen nach einer kurzen Pause mit etwas Suppe und Tee auch weiter runter. Aber davor müssen wir noch die Rucksäcke umpacken. Die Schlafsäcke, Steigeisen und Pickel und ein paar andere Sachen müssen wieder in unsere Tagesrucksäcke gequetscht werden. Nach einer guten Stunde Pause steigen wir auch weiter runter, wobei es Delphine weiterhin nicht so gut geht. Sie steigt mit Limbert langsam weiter ab während ich schon mal vorauslaufe. Unten am Basislager warten dann die anderen schon Biertrinkend auf uns. Adam hat für jeden ein kleines Bier in seinem Kombi gelagert und so stoßen wir dann auf die gemeinsame Tour an.
Als Delphine und Limbert dann auch kommen werden die Rucksäcke alle in den bereits wartenden Kleinbus geladen und dann geht’s zurück in Richtung La Paz.
Adam bleibt mit seinem Kombi noch hier. Er ist für die anstrengende Fahrt nach La Paz in seinem Oldtimer noch zu erschöpft und will erst morgen zurückkommen.
Alles in allem war die Tour für Delphine und mich letztlich also erfolgreich. Wir waren auf dem Gipfel und sind gut wieder heruntergekommen. Aber mit so einer großen Gruppe aufzusteigen, mit der Konsequenz, dass wir nicht unser Tempo gehen konnten war für uns sehr mühselig. Zumal wir durch die ständigen Pausen nie einen richtigen Rhythmus finden konnten. Delphine wurde durch die ständigen Pausen auch nicht warm genug und hat sich ihre zwei großen Zehen etwas angefroren. Aber dafür konnten wir mit Martin recht weit aufsteigen. Mit einem etwas gleichmäßigeren Rhythmus hätte der es auch sicher noch bis zum Gipfel geschafft und wäre nicht ganz so erschöpft gewesen. Und auch Sharmayne und Jonas wären fit genug gewesen um ganz hoch zu kommen, aber manchmal mag der Körper halt die Höhe nicht so. Und Adam mit seinen langen Beinen hätte gute Voraussetzungen um weit hoch zu laufen, war aber nach längerer Krankheit vielleicht etwas zu früh dran für den Berg und hat auch das Thema Akklimatisation wohl nicht ernst genug genommen. Aber egal. Am Ende hatten alle eine gute Zeit am Berg und sind gesund wieder runtergekommen. Und Sehstausender gibt es noch reichlich zu besteigen auf dem weiteren Weg durch Südamerika,
Adam ist sehr schnell dabei, das erlebte in Videos umzusetzen. Mit seinen und meinen Aufnahmen hat er ein paar kurze Videos von unserem kleinen Bergabenteuer gemacht die hier zu sehen sind: