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Iquique ist eine Hafenstadt am Pazifik. Die Lage zwischen riesen Sanddünen ist ziemlich speziell, die Stadt an sich nicht so sehr interessant. Aber Gleitschirmflieger aus aller Welt kennen den Namen der Stadt und verbinden ihn mit idealen Bedingungen zum Soaren, dem fliegen im laminaren Aufwind. Der Wind kommt hier sehr zuverlässig aus Südwesten vom Pazifik und strömt die hohen Sanddünen an. Dazu kommen noch thermische Aufwinde die durch den ständigen Sonnenschein auch recht zuverlässig sind. Regen gibt es hier alle 15 bis 20 Jahre mal. Und genau deswegen wollen wir hier länger bleiben. Einfach mal ein paar Wochen richtig viel fliegen und nebenbei die Bilder, den Blog und Delphines Polarsteps-Einträge auf den aktuellen Stand bringen.
Soviel schon mal vorher: Das mit dem Fliegen klappt gut, Blog und Polarsteps kommen aber in der Zeit deutlich zu kurz.
Kurz vor Iquique geht es bei der Stadt Alto Hospicio von der Hochebene runter. Die Straße schlängelt sich recht spektakulär entlang einiger riesiger Sanddünen nach Iquique runter und man hat einen super Ausblick über die Stadt zum Pazifik. Wir steuern direkt den Flightpark im Süden der Stadt an. Ein Schweizer hat hier vor einigen Jahren ein Hostel für Flieger aus gestapelten Containern aufgebaut. Neben den Unterkünften gibt es noch einen großen Freibereich mit Grillmöglichkeiten, einen kleinen Pool und einen großen Teppich auf dem man die Gleitschirme saubermachen, zusammenlegen und wenn nötig auch reparieren kann. Früher war alles wohl noch größer und es gab sogar eine Werkstatt für die Gleitschirme. Inzwischen ist ein großer Teil des Grundstückes vermietet und es gibt einig Plätze zum Paddel spielen. Einer Art Tennis, die hier sehr beliebt ist. Und der Rest geht den Gang den in Chile alles Gutgemeinte geht. Einmal aufgebaut und sehr gut gemacht wird dann nichts mehr gewartet und alles geht über kurz oder lang immer mehr kaputt. Der Besitzer ist wohl auch seit Jahren nicht mehr hier und das ganze wird von Leo, einem einheimischen Tandemflieger betrieben der es so weit es geht am Laufen hält. Wir können hier auf jeden Fall auf dem Grundstück campieren und mit en anderen Gleitschirmfliegern zum Fliegen fahren.
So lernen wir gleich zu Beginn einen Großteil der Piloten kennen die zurzeit in Iquique sind. Fast alle ausländischen Piloten wohnen während ihres Aufenthaltes hier oder kommen zumindest regelmäßig vorbei. Und das sind insgesamt weniger als gedacht. Die Gruppe besteht gerade aus insgesamt vielleicht dreißig Leuten und man lernt die meisten recht schnell etwas kennen. Vom absoluten Anfänger bis zum Acro-Weltmeister sind alle möglichen Flieger hier. Die meisten deutlich besser als wir und so bekommen wir eine Menge guter Tipps um unsere Flugtechnik zu verbessern. Gelegentlich geht es auch am Abend mit der ganzen Truppe in ein Restaurant zum Essen oder zum Grillen im Flightpark.
Geflogen wird in Iquique entweder vormittags über der Stadt oder nachmittags weiter im Süden an einigen Dünen in der Wüste. Dazwischen verbringen wir viel Zeit mit einigen der anderen Flieger und sind auch das eine oder andere Mal in der Stadt. Vor allem mit Alex aus Holland/Australien und Daniel aus Deutschland verbringen wir viel Zeit. Später kommt noch das nette isländische Pärchen Anita und Jon dazu mit denen wir leider gar nicht mehr so viel Zeit verbringen können wie wir gerne würden.
Bei einer recht witzigen Aktion schmücken wir gemeinsam in der Mittagshitze einen kleinen Weihnachtsbaum den Alex gekauft hat um ihn an der Düne aufzustellen an der wir immer fliegen. Ich bin skeptisch, ob er dem dauerhaften Wind standhält, aber auch nach drei Wochen steht der Baum noch und die Solarlichterkette geht jeden Abend an. Alex verspricht auch, den Baum wieder abzubauen bevor er Iquique verlässt um nicht noch mehr Müll in der Wüste zu hinterlassen als da eh schon überall herumliegt.
Die Flüge am Vormittag von Alto Hospicio herunter nach Iquique sind sehr ähnlich wie das Fliegen in den Bergen. Man startet oben, fliegt dann mit der Thermik höher rauf und wenn man will auch weiter weg und landet letztlich unten in Iquique am Strand. Vor allem der letzte Abschnitt des Fluges über dem Stand und dem Pazifik ist für uns besonders schön. Wir fahren ein paarmal morgens mit rauf um von dort zu fliegen, aber vor allem sind wir gerne nachmittags an der Düne und fliegen da bis zum Sonnenuntergang.
Und die Düne ist das eigentlich besondere hier in Iquique. Zumindest für uns. Wenn der Wind passt, was meistens so ab halb fünf am Nachmittag der Fall ist, kann man an der Düne sehr schön fliegen oder stundenlang Groundhandeln, also die Schirmbeherrschung am Boden üben. Wir fahren also meist am Nachmittag gegen vier mit der ganzen Truppe in den Kleinbussen des Flightpark raus und packen die Schirme aus. Dann kann man entweder an einer eher kleinen Düne starten und dort schnell auf knapp 100 Meter über dem Startplatz fliegen, oder wir gehen direkt zur größeren Düne – die ca. 700 m hoch ist – und laufen dort mit geöffneten Schirmen ein Stück rauf um dann zu starten und mit Hilfe von Wind und Thermik weiter rauf zu fliegen. Die letztere Möglichkeit ist etwas ungefährlicher, weil bei der kleineren Düne die Gefahr besteht, dass man zu weit hochkommt, die Kontrolle über den Schirm verliert und dann gnadenlos hinter die Düne geschliffen wird wo es wieder steil bergab geht. Das passiert mit zweimal mit zum Glück recht harmlosen Folgen. Aufgeschürfte Knie und Ellenbogen und ein paar blaue Flecken. Danach ist mein Respekt etwas größer und ich meide diesen Bereich bei zu viel Wind.
Was wir hier vor allem lernen, ist die Beherrschung unserer Schirme am Boden. Um auf die Düne möglichst einfach rauf zu kommen kann man den Schirm als Segel verwenden indem man ihn seitlich von sich in den Wind stellt und dann im rechten Winkel zur Windrichtung mit viel Power den Berg hochlaufen kann. Das sogenannte kiten mit dem Schirm. Dabei ist der Schirm mit einer Seite knapp über dem Boden. Wir üben eine ganze Weile und irgendwann macht der Schirm dann schon ziemlich gut, was wir von ihm wollen und wir können gezielt auf eine der Dünen rauf und dort starten. Dann entweder weiter rauf fliegen oder nahe am Boden herumfliegen. Oder auch gleich wieder runter und das ganze Spiel vom neuen beginnen. Was auch immer man macht, es macht sehr viel Spaß und wir sind jeden Abend ganz schön fertig vom Rennen an der Düne.
Eine andere schöne Option ist es, ein paar hundert Meter rauf zu fliegen und auf der großen Düne oben zu landen. Auch hier kann man viel Spaß haben und sich vom Schirm durch den Sand ziehen lassen oder versuchen mit am Boden schleifenden Füßen entlang der Düne zu fliegen. Die besseren Piloten haben dabei fast ständig Bodenkontakt und schaffen es in den Kurven sowohl das Ohr – die Spitze des Schirmes – als auch ihre Hand auf den Sand zu bringen – ein sogenannter Stabitouch. Oder sie machen gleich schnelle Spiralen bis zum Boden um dann elegant, oder manchmal auch ziemlich schwungvoll, im Sand zu landen.
Und geflogen wird oft bis nach dem Sonnenuntergang. Je tiefer die Sonne steht, desto ruhiger wird die Luft und desto einfacher auch das fliegen in Bodennähe. Oft fliegen wir noch nach Sonnenuntergang und landen mit dem allerletzten Licht. Am Abend können wir auch immer wieder mal in der Restitution fliegen. Wenn die Sonne besonders stark scheint, ist die Luft am Nachmittag oft sehr unruhig, dafür heizt sich der Sand stark auf und gibt diese Wärme abends wieder ab. Dann kann man auch ohne Sonne und bei wenig Wind oft noch eine ganze Weile sehr ruhig fliegen. Diesen Effekt kann man hier nutzen um zu den sogenannten Mystic-dunes zu fliegen. Eine Sandformation etwas südlich des Fluggebietes oben am Berg, wo der Wind sehr schöne Spuren in den Dünen hinterlässt.
Alles in allem genießen wir die Zeit in Iquique sehr, verbessern beide unser Flugtechnik enorm und bekommen Tag für Tag noch mehr Lust auf Gleitschirmfliegen. Aber die Truppe im Flightpark verkleinert sich gleichzeitig zusehends. Viele wollen nach Kolumbien wo im Januar die Flugsaison beginnt und wir haben auch das Gefühl, dass es nach fast vier Wochen mit fast jedem Tag in der Luft langsam mal Zeit für etwas Neues wird. Und als sich dann Veronique und Markus melden und uns fragen ob wir mit ihnen und Moritz aus Deutschland gemeinsam Weihnachten in Arequipa – Peru – feiern möchten, beschließen wir auch aufzubrechen und weiter nach Norden zu fahren.